Jesus!
Bild des Tages:

(Eigentlich ist die rote Lampe unter dem Bild ein Ewiges Licht, aus irgendeinem Grund funktioniert sie hier gerade nicht. Abends ging sie dann wieder.)
Dieses Bild ist wunderbar, um zwei irische Phänomene zu erklären. Erstens: Der absolut klischeehafte, grundtiefe, fest verankerte Katholizismus der Iren. Sicher ist es nicht mehr überall in der Republik so, aber hier auf dem Land gibt es nicht nur das eine Jesus-Bild in der Zimmerecke, sondern mindestens drei, und dazu Marienfiguren und Bibelsprüche in den Schlafzimmern. Jeden Sonntagmorgen verschwindet meine Gastgeberfamilie in die Messe. Und das ist noch nicht alles: Wenn man durch das Land fährt, werden einem an verschiedenen Stellen neben den Straßen Marienschreine oder große Kreuze auffallen, die alle sehr offensichtlich aus derselben Gussform stammen. Heilige Quellen und andere Wallfahrtsstätten gibt es überall im ganzen Land und auffallend viele von diesen Orten werden auf den Heiligen Patrick zurückgeführt, der Irland um 440 christianisiert hat.
Da die Iren ansonsten aber sehr gelassen sind, wird einem davon nichts aufgedrängt. Das einzige, was einen daran also stören könnte, ist, dass hier absolut niemand irgendetwas kitschig findet. Mir wären diese reuevoll-unschuldig zum Himmel verdrehten Augen und flammenden Herzen dann auf die Dauer doch etwas zu schmalzig, aber ich muss mein Haus ja auch nicht so einrichten.
Das zweite Phänomen fällt einem wohl am ehesten auf, wenn man so wie ich als one of them foreigners ins Land kommt. Und zwar ist es das, was die Iren ständig von sich geben – als Laut der Überraschung, des Schocks, der Freude, des milden Erstaunens, einfach allem, das nach einer Art „oh“ oder „ah“ verlangt. Hier sagt man nicht „oh“ oder „ah“, hier sagt man „Jesus!“
„So she quit her job!“ - „Jesus! What are they going to do now?“
„And, Jesus, his place is huge!“
Hier zeigt der Ire sich variationsfreudig. Häufig wird „Jesus“ zu dem weitaus längeren „Jeeeez“ verzerrt, das aber eher genervt klingt. Man darf stattdessen aber auch „Jesus Christ!“ als Ausdruck besonders großer Überraschung sagen, selten hört man auch „Jesus, Mary and Joseph“ oder „God“ oder „Mother of God“, allerdings gilt es als verpönt, etwa den Namen eines Heiligen einzubauen. Es ist also davon abzuraten, mit „Saint Brigid!“ zu reagieren, wenn man hört, dass die Schafe des Nachbarn ausgerissen sind.
Mood: Content

Confusiel - 29. Jan, 20:49