Sonntag, 24. Oktober 2010

A Nice Cup of Tea

Ich habe seit in drei Tagen zwei Monaten einige neue Gewohnheiten. Ich esse meine Hauptmahlzeit gegen sieben Uhr abends, mein Gang ist gemütlicher geworden, ich sage mehrmals am Tag "Yes, please" und "No, thank you" und ich bin generell positiv gestimmt.
Und dann habe ich noch eine neue Gewohnheit. Ich trinke Tee.

Tea

Und zwar nicht, wie alle Leute Tee trinken, sondern als Bestandteil meines Tagesablaufs. Und Tee ist nicht gleich Tee. Hier zählt nur schwarzer Tee wirklich als Tee, alles andere ist "herbal tea" und über Früchtetee sollte man am besten gar nicht erst reden. Richtigen Tee trinkt man, wenn man nicht gerade eigentlich britisch ist, hauptsächlich nach dem Lunch und dem Dinner. (Ich bin wahrscheinlich irgendwie ein bisschen britisch, denn ich trinke Tee auch gern zum Frühstück oder gegen vier Uhr.)
A Cup of Tea rundet jedes Essen ab, erleichtert das Warten, heitert auf. Es gibt nichts Verheißungsvolleres als den Satz: "I'll finish this and then I'll put the kettle on."

Tea

Das Zubereiten ist eine kleine Zeremonie für sich, mit dem kochenden Wasser wird zuerst die Teekanne ausgespült, dann zieht der Tee. Aromatisierte Tees habe ich hier nirgendwo gesehen, man begegnet meistens Earl Grey oder einer Mischung, es gibt sogar "Irish Breakfast Tea" - ob es zwischen dem und "English Breakfast Tea" einen Unterschied gibt, weiß ich allerdings nicht.
Ich liebe Tee. Den nach dem Dinner besonders, denn dann bekommt man noch mal einen kleinen Schub für den restlichen Abend, was besonders nach einem langen Tag hilfreich ist. Ein bisschen Milch und ohne Zucker. Und vielleicht ein Buch.

Tea and Sherlock Holmes

Diese Fotos wurden im wunderbar gemütlichen Portree Hostel in Waterford Town gemacht, wo es kostenlosen Tee und eine sehr bequeme Couch gab. Und 'Sherlock Holmes'.

Mood: Relaxed calm-mellow-peaceful-recumbent-relaxed

Running Free

Cheer for us, loves, wir haben es geschafft. Drei Wochen Wexford sind vorbei und hier sind wir wieder, ausgeruht und fröhlich, inmitten der Zivilisation. Das heißt, ich bin hier, inmitten der Zivilisation.

So sah der Erdofen am Donnerstag aus (man beachte das herrliche Wetter und die zerzauste Journalistin):

Stove

Wir hatten abends beim Dinner mit dem exzellenten Curry so viel Spaß, dass wir zu fünft (drei Host-Kinder, ein Host-Tochter-Freund und ich) abends noch ins Kino gefahren sind. "Despicable Me". Es war fantastisch.
Am Freitag habe ich dann hauptsächlich Wäsche gewaschen und gepackt und gestern ging es nach einer morgendlichen Tour durch Wexfords (nicht sehr gute) Gallerien per Bus nach Waterford Town. Die Fahrt war schön, wie immer. Das herbstliche Irland ist rau und schön, überall sind Krähenschwärme und die Bäume sehen wie dünne, gebeugte Gestalten aus.

Mein Hostel in Waterford ist unglaublich schön und gemütlich! Ich würde hier am liebsten einziehen, wenn ich ein Zimmer für mich haben könnte. Es ist geräumig und bequem und die Betreiber lesen einem jeden Wunsch von den Augen ab. Es gibt kostenlosen Tee. Und kostenloses Obst und kostenlose Bonbons und Bücher zum Tee.
Gestern habe ich mich erst noch mit Lebensmitteln versorgt und bin, weil sie auf dem Weg lag, kurz bei der Touristeninformation hinein geschneit. Und dort gab es Die Schönsten Postkarten Überhaupt zum unglaublichen Preis von 10ct pro Stück. Ich habe erst einmal elf gekauft, aber ich glaube, ich muss nochmal zuschlagen, bevor ich Waterford verlasse.
Abend war ich wieder im Kino, diesmal aber alleine, in 'Easy A'. In Deutschland kommt der Film wahrscheinlich grauenvoll synchronisiert an - trotzdem, er ist lustig, er ist definitiv anders und er hat mir gefallen.

Ich gehe jetzt kochen.

Mood: Relaxed calm-mellow-peaceful-recumbent-relaxed

Port Láirge

Waterford ist eine kleine Stadt am River Suir, über die man normalerweise nichts weiß. Nicht wichtiges zumindest; außer, dass ihr Name wie "Wexford" mit "ater" statt "ex" ist und dass dort Kristall hergestellt wird, wovon mir verschiedene Leute in Hostels verzückt erzählt haben.
Kristall. Ehrlich?
Ich hatte eigentlich gar nicht vor, nach Waterford zu fahren, aber weil T with the Maggies dort gespielt haben und ich sie sehen wollte, habe ich mein freies Wochenende kurzerhand in den Südosten Irlands verlegt (wo ich zu der Zeit ja ohnehin war).

Ich bin froh darüber! Ich habe ja bereits erwähnt, dass mein Hostel absolut gemütlich und nett und mit Tee bestückt war, und ein langer Spaziergang am Montagmorgen hat mich davon überzeugt, dass Waterford Town die schönste irische Stadt ist, in der ich bis jetzt gewesen bin. Hier gibt es Fotos von diesem Spaziergang, und ihr werdet dafür dieses Passwort benötigen:

Waterford

Die Straßen sind so ausgestorben, weil an es ein Bank Holiday Montag war. Offenbar schlafen da alle Iren bis zum späten Nachmittag, keinen Kommentar zum Abend davor.
Was man nicht über Waterford weiß, ist, dass es die älteste Stadt Irlands ist und man sich nur in das Gewirr von Straßen und Sträßchen stürzen muss, um jede Menge Reste der einstigen Stadtmauer, Kathedralen, Kirchen und Ruinen zu entdecken. Es ist die einzige Stadt, die ich kenne, die im Wappen ein Seepferd hat! Hooray! Außerdem wurde hier der erste Frosch in Irland ausgesetzt. Das allein sollte ausreichen, um Waterford zum Wallfahrtsort zu machen.

Mood: Good good

Freitag, 22. Oktober 2010

One Wexford Day in Pictures



8:15, mit der Kamera in der einen und meiner Haarbürste in der anderen Hand.



8:30, auf dem Weg zum Frühstück.



9:00, zurück im Caravan, um Wäsche zu holen und zur Waschmaschine im Haus zu bringen.



10:00.



15:00.

Der Gerechtigkeit halber muss man sagen, dass dieser Freitag der erste Tag seit meiner Ankunft im County Wexford war, an dem es wirklich geregnet hat. Es regnet grundsätzlich immer an meinen freien Tagen.

Mood: Happy cheerful-chipper-happy-pleased-refreshed-rejuvinated

Donnerstag, 21. Oktober 2010

My Favourite Things

Es wird Zeit, auch ein paar gute Worte über diese Farm zu verlieren - bevor ich sie am Samstag verlasse. Es ist schließlich nicht so, dass es hier grundsätzlich schrecklich ist. Man muss sich nur daran gewöhnen. Inzwischen habe ich wirklich das Gefühl, dass ich dazugehöre - ich bin eben nur mehr wie ein Geselle und nicht wie ein Familienmitglied. Der Sohn der Familie und ich verstehen uns besser denn je, ich renne für ihn hin und er, er erledigt die wirklich schweren Sachen für mich, heizt den Caravan und ich lasse mich dafür von ihm aufziehen.
Auch der Caravan und ich haben freundlichere Gefühle füreinander entwickelt. Es gab keine weiteren Spinnen in der Dusche und inzwischen kann ich auch die Trockentoilette alleine leeren. Nachts wird es jetzt zwar sehr kalt, aber bald bin ich ja wieder in Zimmern, die sich in Häusern und nicht außerhalb davon befinden.

My Lovely Caravan

Der Caravan, romantisch im Mondlicht.

Das sind die Dinge, die ich an diesem Ort mag:
  • Die Pferde. Ich würde sie am liebsten mitnehmen.
  • Den Bananenbaum im Garten. (An einem Tag kam mein Host mit ein paar Bananen in der Hand aus Richtung Garten und ich habe aus Spaß gefragt, ob er sie dort gepflückt hat. Jetzt winkt er jedes Mal, wenn er mit neuen Bananen zur Tür herein kommt, ihn meine Richtung und sagt grinsend: "Banana tree.")
  • Eoin Colfer (der Autor von "Artemis Fowl") kommt aus Wexford. County Wexford. Hat eigentlich nichts mit dieser Farm zu tun, aber egal. Mein ältester Bruder liebt diese Bücher - und sie sind wirklich gut!
  • Die Kuchen, die gelegentlich gebacken werden.
  • Wenn mein Host anfängt, über seine sehr spezielle Art von Farming zu reden.
  • Die unglaublichen Sonnenauf- und untergänge und den Himmel überhaupt! Die Leute von Wexford sagen, "the sky is the only view we have here", weil das Land so flach ist. But what a view it is...!
  • Die Arbeit, die oft recht anstrengend, aber... befriedigend ist. (Übrigens hat es in meinen drei Wochen hier nicht geregnet - das heißt, ich habe wirklich viel gearbeitet. Es heißt nicht umsonst "sunny south-east".)
Heute war die mittlere Tochter des Hauses mit ihrem Freund da und wir haben alle zusammen die erste Lehmwand für den Erdofen gebaut. Es war ziemlich anstrengend, aber es hat Spaß gemacht! Ich werde morgen ein Foto von diesem Platz neben dem Haus machen. In meinen drei Wochen hier hat er sich grundlegend verändert!
Mehr bald. Nebenbei wird gerade Curry gekocht und es duftet wunderbar.

Mood: Relaxed calm-mellow-peaceful-recumbent-relaxed

Dienstag, 19. Oktober 2010

Short Entry about the Radio

Ich habe bis eben im Wohnzimmer gesessen und versucht, meine Emails zu beantworten, aber nebenbei läuft das Radio. Ich glaube, es ist eine Art Satiresketch zum Thema Finanzen und Taoiseach (der Taoiseach ist das irische Staatsoberhaupt und zurzeit eine ziemliche Witzfigur. Teilweise, weil er wirklich nicht schön ist. Teilweise, weil er vor einigen Wochen ziemlich betrunken bei einem großen Interview aufgetaucht ist und seitdem nicht mal mehr von den Nachrichtensprechern ernst genommen wird.)
Ich weiß nicht, wieso, aber die irischen Radiosendungen bestehen zum großen Teil daraus, dass der Presenter einfach nur vor sich hin redet - vor allem, wenn er irgendetwas sagt, dass er selbst lustig findet, und dann den Witz erklären muss. Heute früh ging es um Halloween-Kostüme, den Taoiseach, Twitter (er hat live retweeted)...
...und gerade kommt dieser Sketch. Es kommt mir stark so vor, als hätten einige Leute nach ihren abendlichen Pints zuviel Kaffee getrunken, die Stimmen sind recht aufgeregt. Es geht darum, dass der Taoiseach der Öffentlichkeit die Finanzprognosen zeigen soll, aber er hat das Buch verlegt und jetzt kommt gerade jemand auf die glorreiche Idee, in den Schubladen des Schranks in der Ecke des Zimmers nachzuschauen. Der Taoiseach behauptet, er hätte diesen Schrank noch nie gesehen.
Ja, ja.

Bis bald. :)

Mood: Confused confused-curious

Sonntag, 17. Oktober 2010

My Golden Ticket to the Opera

Die Iren lieben Festivals und anscheinend habe ich die versteckte Gabe, zufällig immer dort zu sein, wo gerade eins ist. Gestern waren wir beim Eröffnungsfeuerwerk der Wexford Festival Opera (nicht Wexford Opera Festival, warum auch immer).

Ich muss dazu erst einmal etwas klären. Hier in Irland sind Opern nicht das, was sie in Deutschland sind – Abendgarderobe, pompöse Gebäude und gepflegte Analysen bei einem Glas Wein. Das ist den Iren nichts. Sie haben gerne Spaß, wenn sie Musik hören, und danach wollen sie in den Pub gehen. Opern haben in Irland keine Tradition und werden daher in irgendwelchen Theatern aufgeführt, die man von der Straße aus nicht bemerken würde.
Wexford Festival Opera funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Es werden zwar Opern aufgeführt, aber das sind sehr experimentelle, moderne Opern. Das Programm beinhaltet daneben noch Ballettaufführungen, Theaterstücke, Komödien, also eigentlich alles, was man auf einer Bühne aufführen kann. Dass das nicht alles Opern sind, ist egal. Die Pubs sind natürlich bis zwei Uhr morgens geöffnet und bieten Opernszenen an, das heißt, irgendein Sänger kommt vorbei und singt seine Arie. Im Pub. In der Einkaufsstraße gibt es einen Wettbewerb darin, die Schaufenster zum Thema „Charlie und die Schokoladenfabrik“ (eine der Opern) einzurichten. Fazit: Man sieht überall Samtanzüge mit goldenen Ws, riesige Goldene Tickets und Schokoladentafeln.

Das Feuerwerk war unten am Kai. Als wir in die Stadt kamen, war dort schon eine fabelhafte Stimmung. Vor allen Fish&Chips- und Süßigkeitenläden waren riesige Schlangen, und Leute allen Alters, vor allem aber Kinder und Jugendliche (!) haben sich durch die Straßen gedrängt. Der gepflegte deutsche Operngänger hätte da schon die Nase voll gehabt.
Unten am Hafen war eine große Bühne, wo das Volk bis zum Dunkelwerden mit einem gemischten Programm aus den Beatles, drei singenden Comedians, Dorothy aus dem 'Zauberer von Oz', einer Trommelgruppe und aus irgendeinem unerfindlichen Grund der Camogie-Kapitänin von Wexford (Camogie ist Hurling für Frauen) bei Laune gehalten wurde. Meine Hosts und ich haben uns einen guten Platz gesucht und dann gewartet. Es war ziemlich kalt.



Kurz nach Einbruch der Dunkelheit hatte sich dann unten am Wasser eine dichte Menschenmenge gesammelt, bewaffnet mit Leuchtstäben und Luftballons. Dann kamen die obligatorischen Reden – eine auf Irisch, dann das Irische auf Englisch, dann jemand, der im Grunde das gleiche gesagt hat, dann jemand, der mit „als Kind habe ich lange Reden gehasst, deswegen nur kurz...“ begonnen hat und dessen Rede insgesamt so lang wie die ersten beiden zusammen war, und dann die Ministerin für Kultur.
And then – the fireworks!

Es ist schon etwas besonderes. Zum Feuerwerk wird „Opernmusik“ gespielt. Das ist wieder so eine irische Bezeichnung. Tatsächlich war es ein bunter Mix aus „Nessun dorma“ und der Filmmusik von „Fluch der Karibik“. Spätestens da hätte sich der gepflegte deutsche Opernbesucher peinlich berührt aus der Menschenmenge entfernt.
Das Feuerwerk selbst ist zwar nicht unglaublich groß oder spannend, aber in Irland sind Feuerwerke an sich verboten und deswegen waren vor allem die Kinder sehr aufgeregt. Und es fing damit an, dass ein großes W über dem Wasser erschienen ist, das war schon beeindruckend.

Was die Iren den Deutschen aber voraus haben, ist, dass sie einfach Spaß haben können. Ihr glaubt mir nicht, was das gestern für ein craig war. Die Atmosphäre war fantastisch! Was man über die Aufführungen denkt, ist jedem selbst überlassen, Hauptsache, man hat während des Festivals selbst so viel Spaß wie möglich. Ich werde von diesem hier zwar nicht vielmehr mitbekommen – aber nächstes Wochenende fahre ich nach Waterford, und ratet, was dort ist...

Mood: Content complacent-content-full-indifferent-relieved-satisfied

Donnerstag, 14. Oktober 2010

Come Away, O Human Child

Es gibt neue Fotos. Von der abendlichen Oktobersonne an diesem Ort:

Cross

Ja. Ich bin wieder auf dem Friedhof gewesen, immerhin ist es der einzige Ort, der nahe genug ist, um ihn bei einem Spaziergang zu besuchen, und interessant genug, um dort immer wieder Fotos zu machen. Besonders bei so gutem Licht – an diesem Tag war es schön klar und warm.
Aber diesmal geht es nicht um Grabsteine. Meine pferdezähmende Freundin in Australien, die ein eigenes Journal schreibt, hat sich in den letzten Tagen Sorgen gemacht, das Feenvolk (oder die Spinnen im Caravan) könnten mich entführt haben, weil ich mich nicht mehr geantwortet habe – dies wäre der perfekte Ort dafür. Man sehe sich nur einmal diese Pforte an.

Portal

Bis jetzt haben die Feen mich allerdings noch nicht gerufen. Das ist auch besser so. Was man so hört klingt nicht gerade verheißungsvoll – sie entsprechen bei Weitem nicht mit unserer zahmen Vorstellung von Feen oder Elfen, sie sind irrational, wild und manchmal grausam. Ihre Geschenke haben meistens einen Haken. Man sollte sich möglichst nicht mit ihnen anlegen. Das ist auch der Grund, warum die Straßen vor allem im Westen Irlands so kurvig sind – sie verlaufen um die Hügel, die den Feen gehören. Ohne Scherz!
Im Buttermuseum in Cork gab es eine ganze Abteilung zum Thema Butter und Feenvolk. Wenn zum Beispiel im Haus Butter gemacht wurde, durfte man kein Feuer, keine Asche und keine Glut aus dem Haus entfernen, man konnte sich also noch nicht mal eine Pfeife anzünden und dann nach den Kühen sehen. Bei bestimmten Wetterbedingungen bleibt die Milch Milch und wird nicht zu Butter, dann heißt es, die Feen haben sie gestohlen.
So ähnlich ist es mit fast allem. Es gibt eine bestimmten Baum oder Busch, den man nicht schneiden darf, weil er den Feen gehört. Wagt man es trotzdem, findet man am nächsten Abend die Dornen dieses Busches im eigenen Bett. Und manchmal entführen sie Leute.
Die irischen Sagen sind sehr interessant.



Wenn ihr irgendwo ein Buch mit irischen Sagen findet, lesen! Ansonsten empfehle ich W.B. Yeats. Ich weiß, dass es ein bisschen ein Klischee ist, aber seine Gedichte sind wirklich gut - und sie sind das in Worten, was man erlebt, wenn man in Irlands Natur unterwegs ist.

Mood: Sleepy drained-exhausted-groggy-tired-sleepy

October in the Air

Ich habe das Journal in den letzten Tagen sehr vernachlässigt, ich weiß – das tut mir leid!
Mittlerweile ist es wirklich Herbst hier. Die Büsche und Bäume halten sich zwar noch gut und haben noch fast alle, sehr grünen Blätter und nur hier und da sieht man etwas Rot, aber die Nächte sind jetzt sehr kalt. Das heißt, dass ich mich jeden Morgen irgendwie aus meinem warmen Bett quäle, um dann in mindestens drei Schichten eingemummt zum Frühstück zu wandern. Im Laufe des Tages werden die Schichten nacheinander abgeschält, falls es sonnig ist. Dann wird es nämlich nachmittags immer noch ungefähr 15°C warm.

Die letzten Tage habe ich hauptsächlich das Haus gestrichen.
Das Haus ist ein vorgefertigtes Ding aus Skandinavien, das sich durch die gute Wärmedämmung praktisch selbst heizt, sodass meine Hosts kaum Heizkosten haben. Es ist außen mit Holz verkleidet. Dieses Holz wird nun mit einer öligen, klebrigen Suppe, die im Rohzustand wie ein Cremelikör aussieht und nach dem Trocknen nicht mehr zu sehen ist, behandelt.
Stellt euch vor, was passiert, wenn man eine Stelle in der Innenseite des Daches über seinem Kopf streichen muss.
Genau so sah ich nach der ersten Hauswand aus.
Da ich nicht besonders groß bin, ist dieser Job manchmal etwas frustrierend, aber im Großen und Ganzen und abgesehen davon, dass ich jetzt drei ölige Kleidungsstücke besitze, macht es ziemlich viel Spaß. Es geht schnell, nimmt aber trotzdem oft fast einen ganzen Vormittag oder Nachmittag in Anspruch (wir streichen immer jeweils eine Seite des Hauses, drei sind bis jetzt fertig geworden), sodass ich jetzt öfters mal ein oder zwei freie Stunden zwischendurch habe oder eher aufhören kann. Sehr nett.
Bis jetzt hat es hier ja noch überhaupt nicht geregnet, sodass die „bei Regen wird nicht gearbeitet“-Regel noch nicht in Kraft treten konnte. Dafür scheint es in den Midlands die ganze Zeit zu gießen...!

Gestern haben wir die Pferde und Esel ein zweites Mal von ihrer Weide geholt. Sie haben sich inzwischen alle an mich gewöhnt, sogar die Esel, die sehr menschenscheu sind. Einer von beiden hat mehrmals versucht, meine Finger zu fressen und ist danach ständig zu mir gekommen, um mit seiner Nase gegen zu meinen Rücken zu stoßen, während ich das Fohlen gebürstet habe.
Das Fohlen und eine der beiden Stuten, Belle, sehen nicht unbedingt aus, wie man sich Pferde vorstellen würde. Zum einen sind sie sehr viel größer als normale Pferde und zum anderen grobknochiger und mächtiger und sehr beeindruckend. Man möchte nicht neben Belle stehen, wenn sie Angst hat. Hier ein Bild von ihr, in majestätischem Abstand zu mir und meiner Kamera:

Belle

Ich reiche ihr gerade mal bis zur Schulter.
Sie gehört zu einer Art von Arbeitspferden, die im Allgemeinen noch größer werden. Ich habe sicher schon geschrieben, dass die Pferde hier sind, um einen Traktor zu ersetzen – Belle scheint dafür geschaffen zu sein, vor ihrem Einsatz muss sie sich aber erst noch mehr an Menschen gewöhnen. Im Gegensatz zu der sehr viel kleineren Stute Beauty ist sie unheimlich vorsichtig.

Am Sonntag hat meine Host-Familie einen Ausflug zum Raven-Naturschutzgebiet nördlich von Wexford Town gemacht und mich mitgenommen. Die Attraktion dieser Gegend ist der endlose Strand, der wohl auch schon als Filmkulisse gedient hat und wirklich atemberaubend ist, gerade wenn der Wind wie bei unserem Besuch nicht gerade mild ist.

Beach

Wenn der Himmel klar ist, sehe ich manchmal auf dem Weg zum Dinner im Haus einen Sonnenuntergang über dem Land. Und manchmal den Mond, wenn ich zurück komme.

Moon

Abends wird es jetzt manchmal richtig nett mit meiner Host-Familie. Immerhin kennen sie viele Geschichten aus allen Ecken Irlands, die sie einem unwissenden Ausländer sehr gern erzählen. Die Frau meines Masters hat fünfzehn Geschwister – was sagt man dazu? Dagegen wirken selbst meine eigenen vier wie wenige.

Mood: Productive busy-productive-working

Mittwoch, 13. Oktober 2010

The Rising of a Song

Eigentlich sollte am Samstag schöneres Wetter werden. Da die Familie aber sowieso vormittags nicht da war, habe ich mich vom allgemeinen Grau draußen nicht abschrecken lassen und einen Spaziergang die Straße entlang gemacht – schade, dass ich nicht schon früher dazu gekommen bin!

Wenn man in einer ohnehin nicht sehr dicht besiedelten Gegend eines fremden Landes ist und die Arbeitgeber so gut wie gar nicht an Gesprächen interessiert sind, kann man sich schon etwas isoliert fühlen, oder? Aber vielleicht sind diese Leute so, weil sie in dieser südöstlichsten Ecke Irlands leben, wo das Land so flach ist, dass der Himmel wie ein riesiges Gewölbe über einem thront. Es ist schön hier, aber weniger wild und aufregend als im Westen. Daran ändert auch der allgegenwärtige Wind nichts – das Land wirkt, als würde es schlafen oder warten oder beobachten, oder alles zusammen.

Auf meinem Spaziergang habe ich einen schönen Ort gefunden. Es ist ein Friedhof. Man muss an den neueren, prunkvolleren Gräbern vorbei gehen, bevor es schön wird, dann kommt man nämlich in den alten Teil, wo die Grabsteine und Grabkreuze alle ein bisschen schief sind und sich eine mit Efeu überzogene Ruine in den Himmel reckt.
Ich weiß nicht, wieso, aber ich fand Friedhöfe schon immer schön und fast gemütlich, aber vor allem faszinierend, weil sie die Geschichten von hunderten von Menschen enthalten und man nur selten eine davon erzählt bekommt. Ich mag diesen Gedanken – deswegen fühle ich mich immer wie ein Ehrengast, wenn ich auf einem Friedhof bin.
Und dieser hier hat auch noch seinen speziellen, rauen, irischen Charme.

Graveyard

Zufällig ging mir bei meinem Rundgang „The Holly and the Ivy“ durch den Kopf. Auch wenn es noch nicht direkt weihnachtlich ist, passt dieses Lied sehr gut zu diesem Friedhof, finde ich.
Wenn man sich ein bisschen Zeit nimmt und sich die Grabkreuze etwas genauer anschaut, findet man manchmal unter den immer wieder gleichen, christlichen Symbolen Reliefs wie dieses hier:

Leaves

Und keltische Knoten.
Vielleicht wirken die irischen Friedhöfe auch deswegen so verwunschen.

Mood: Cold cold

Freitag, 8. Oktober 2010

Being a Good Soldier

Manchmal reicht es einfach aus, sich darüber klar zu werden, was einen stört.
Ich habe gestern die Spinnennetze und die sechs Spinnen aus der Dusche entfernt und jetzt sieht es dort schon wieder ganz nett aus. Weit kommt man mit Handbesen und Schaufel zwar nicht, und gerade habe ich unheimliches Verlangen nach einem Staubsauger, aber ich habe nicht vor, mich von einem Caravan unterkriegen zu lassen. Er hat ja auch seine netten Seiten - man kann vor der Tür auf dem Holzpodest sitzen und sich von der Abendsonne bescheinen lassen!

Andere gute Neuigkeiten: Mein neuer Master und ich hatten gestern nach dem Lunch ein sehr interessantes Gespräch. Anscheinend war er schon bei der Öko-/Bio-Bewegung, als es die noch gar nicht richtig gab, und er weiß unheimlich viel über nachhaltige Landwirtschaft in verschiedenen Gegenden der Erde. Zwar habe ich immer noch ein paar Probleme mit dem Wexford-Accent, aber das kann auch daran liegen, dass diese Familie eher in sich hinein redet als zum Zuhörer (mir) hin. Das macht es nicht einfacher...!

Spinach

Ich habe gestern aus zwei Reihen zarter, kleiner Spinatpflanzen (Nummer eins im Vordergrund des Bildes) das wesentlich größere Unkraut entfernt. Das war ziemlich angenehm, weil die Sonne den ganzen Nachmittag geschienen hat und es spätsommerlich warm war, wie heute auch. Vormittags habe ich Dachpappe und Schuppenwände getragen, das war immerhin eine Verbesserung nach den Schrauben von vorgestern.

Heute habe ich sehr große Steine für einen Erdofen hin und her getragen und danach Löcher für Pfähle gegraben. Zum Glück war dieser Tag wirklich entspannter, sonst hätte ich jetzt ein paar Rückenprobleme. Nachmittags musste ich nur zuschauen, wie der Sohn des Hauses Beton gemischt hat, und die Pfähle halten, während sie einbetoniert wurden.
Jetzt werde ich zu meinem Caravan aufbrechen.
Gute Nacht.

Mood: Determined determined-predatory

Confusiël uses Pens

Irland, Tee und zum Sterben schöne Bilder.

Cunning Pens

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